Warum ist es so schwer Ziele zu erreichen? Und was es braucht, damit es trotzdem gelingt

Wahrscheinlich hat sich doch jeder von uns schon mal ein persönliches Ziel gesetzt. Doch allzu oft stellen wir fest, dass es einfach nicht gelingen will, dieses Ziel zu erreichen. Schließlich knicken wir ein, machen so weiter wie bisher und sind womöglich am Ende auch noch enttäuscht von uns selbst. Ziele zu erreichen, scheint recht schwierig zu sein. Warum ist das so?

Wenn wir uns Ziele setzten, dann haben wir zunächst mal ein Ergebnis vor Augen. Wir wollen endlich abnehmen. Oder den Marathon dieses Jahr schaffen. Vera F. Birkenbihl empfiehlt hier, sich das gewünschte Ergebnis bildlich auszumalen und vorzustellen.[1], [2] In allen Einzelheiten. Wie wird es sein, wenn ich die knapp 42 km laufe und mir die Freunde auf den letzten Kilometern zujubeln? Was macht das mit mir, wenn ich in der Zukunft auf meinen Marathon-Erfolg zurückschauen werde? Wie fühlt sich das dann an?

Ziele entwerfen die Zukunft und malen sie aus

Ein Ziel beschreibt einen Zustand in der Zukunft. Wenn wir die Wahrscheinlichkeit unserer Zielerreichung steigern wollen, dann wissen wir aus der Forschung, dass die Verschriftlichung von Zielen ein wichtiger Erfolgsfaktor ist.[3] Durch das Aufschreiben werden Ziele für uns verbindlich: Wir geben ihnen durch ihrer Ausformulierung eine Form und sie werden so vor unseren Augen schon ein Teil unserer neuen Wirklichkeit. Wenn wir die Wahrscheinlichkeit unserer Zielerreichung noch weiter steigern wollen, dann erzählen wir anderen von unseren Zielen. Oder berichten ihnen sogar regelmäßig von unserem Fortschritt.

Mit Akronymen Erfolgskriterien festlegen

Aber wie formulieren wir am besten unsere Ziele? Eine sehr bekannte Methode für die Zielformulierung ist das von Peter F. Drucker, dem „Vater des modernen Managements“ entwickelte SMART-Modell. Die Idee ist, dass Ziele eine enorme Wirkung entfalten, wenn alle in dem Akronym enthaltenen Aspekte zusammenkommen. SMART steht für: specific (spezifisch), measurable (messbar), achievable (attraktiv), realistic (realistisch) und time-bound (terminiert).

Neben dem SMART-Modell gibt es noch weitere hilfreiche Akronyme, z.B. PURE: positively stated (positiv formuliert), understood (verständlich), relevant (relevant), ethical (ethisch vertretbar). Oder CLEAR: challenging (herausfordernd), legal (legal), environmentally sound (umweltverträglich), agreed (akzeptiert), recorded (protokolliert).[4]

Wichtig ist, dass man für sich Erfolgskriterien festlegt, woran man ein gutes Ziel erkennt. Entweder man greift zu einem bekannten Schema, oder schafft sich sogar sein eigenes Akronym.[5]

Positive Ziele in der Gegenwartsform formulieren

Entscheidend für Vera F. Birkenbihl ist es, dass Ziele positiv formuliert werden. Ziele markieren also einen Zustand in der Zukunft, den wir unbedingt erreichen wollen, weil es uns dann besser geht. Weil es sich dann für uns gut und richtig anfühlt. Wenn wir dies betonen wollen, dann formulieren wir unser Ziel am besten gleich in der Gegenwartform, also z.B.: In diesem Jahr laufe ich meinen ersten Marathon.

Hier passiert etwas Entscheidendes. Ich verbinde mich durch die Gegenwartsform mit dem zukünftigen Ergebnis. Und ändere meine Perspektive. Nein, ich werde nicht mehr irgendwann etwas tun, sondern ich bin bereits jetzt auf dem Weg. Ich werde nicht irgendwann einmal ein Marathonläufer sein, ich bin es bereits jetzt schon.

Das ist die Hinführung zu einem entscheidenden Aspekt für die Zielerreichung. Denn zu einem Ziel gehört nicht nur der Wunsch nach dem Ergebnis, sondern auch der Blick auf den Prozess, um dorthin zu gelangen.

Neue Gewohnheiten tragen zum Ziel

Wenn ich mir nun selbst das Ziel positiv formuliere: In diesem Jahr laufe ich meinen ersten Marathon. Dann bin ich bereits ein Marathonläufer. Und was tut ein Marathonläufer? Trainieren. Und zwar nicht nur kurz und heftig vor dem eigentlichen Lauf, sondern man hält sich permanent auf eine bestimmte Art und Weise regelmäßig und kontinuierlich fit.

Um also ein Ergebnis in der Zukunft zu erreichen, meinen ersten Marathonlauf, werde ich einige Veränderungen vornehmen müssen, in dem ich mir neue Gewohnheiten rund um das Training aneigne. Das ist eine sensible Phase für die Zielerreichung. Wichtig ist nicht, gleich Großartiges zu leisten, sondern hilfreiche Routinen aufzubauen und so konkret zu werden, wie eben möglich. Nützlich ist eine Formel wie:

Ich werde um (Zeit) in (Ort) (Verhalten).[6]

Also z.B.: „Ich werde am Montag und Donnerstag von meiner Wohnung aus in den Park und zurücklaufen.“ Mit dieser ersten, neuen Gewohnheit haben wir das Ergebnis (ich bin ein Marathon-Läufer) mit dem Prozess (Ich verhalte mich jetzt schon wie ein Marathon-Läufer) verbunden.

Drei Erfolgsfaktoren für erfolgreiche Gewohnheiten

Die Schwierigkeit liegt nun aber leider darin, dass unsere Tagesabläufe bereits voller Gewohnheiten sind. Und zwar mit Gewohnheiten, die bisher alles getan haben, außer uns zu einem Marathonläufer zu machen. Wir werden also einige meist unbewusst liebgewordenen Gewohnheiten aufgeben müssen, damit neue ihren Platz bekommen können. Die drei Erfolgsfaktoren für erfolgreiche Gewohnheiten lauten:

  1. Klein anfangen. Und zwar sehr klein.
  2. Gewohnheiten fest verankern.
  3. Positiv sein – und feiern.

Der Stanford Professor und Verhaltensforscher B.J. Fogg bringt es mit seinem Programm und Buch-Titel auf den Punkt: Tiny Habits. Dabei handelt es sich um eine Strategie, bei der man kleine, leicht zu realisierende Gewohnheiten systematisch in den Alltag integriert, um langfristig große Verhaltensänderungen zu erreichen. Sein Lieblingsbeispiel: Zahnseide nutzen. Heute nutzt der Forscher laut eigener Aussage jeden Morgen und Abend Zahnseide. Aber das war nicht immer so. Begonnen hat er damit, dass er sich vorgenommen hat: „Ich werden morgens im Badezimmer vor dem Zähneputzen einen Zahn mit Zahnseide putzen.“ Was wie ein Scherz klingt, meint er absolut ernst. Einen Zahn mit Zahnseide zu putzen ist die selbstauferlegte Pflicht. Alles andere kann man machen, aber das wären nur nicht verlangte Extras.

Übertragen auf unser Ziel, ein Marathonläufer zu werden: „Ich werde jeden Montag- und Donnerstagmorgen vor dem Frühstück meine Jogging-Schuhe anziehen und vor die Tür gehen.“ Mehr nicht. Nur die Schuhe anziehen, vor die Tür gehen, wieder reingehen und die Schuhe ausziehen. Das dauert gar nicht lang und ist auch nahezu nicht anstrengend. Nach einer Weile kann ich mein Ziel überarbeiten. Dann könnte es lauten: „Ich werde jeden Montag und Donnerstagmorgen vor dem Frühstück meine Jogging-Schuhe anziehen und einmal um den Häuserblock gehen.“ So passe ich Stück für Stück in kleinen Schritten meine einmal etablierte neue Gewohnheit an.

Neue Gewohnheiten brauchen einen Anker. Oder wie B.J. Fogg das ausdrückt: Einen Auslösereiz. Und der sollte so konkret wie möglich sein. In unserem Beispiel hätten wir auch formulieren können: „Ich werde zweimal die Woche meine Jogging-Schuhe anziehen und vor die Tür gehen.“ Nur ist das leider viel zu unkonkret. Wann genau? Morgens oder abends? Besser heute oder doch morgen? Reicht diese Woche nicht auch einmal joggen?

Und wenn wir es dann geschafft haben jeden Montag- und Donnerstagmorgen die Joggingschuhe anzuziehen und vor die Tür zu gehen, dann dürfen und sollen wir das feiern! Und zwar sofort! Vielleicht in dem wir in den Spiegel schauen und „Geschafft!“ rufen.

Die positive Erfahrung gibt den Kick. Mit Härte und Zwang funktioniert die Veränderung nicht. Wenn wir es aber schaffen, in uns angenehme Gefühle hervorzurufen, dann sind wir auf dem besten Weg.

tldr;

Um Ziele zu erreichen, braucht es zweierlei:

  1. Klare, positive Formulierungen für die Ziele.
  2. Eine systematische Herangehensweise in der Umsetzung.

Der Schlüssel liegt bei der Umsetzung unserer Ziele darin, kleine, machbare Gewohnheiten zu entwickeln und diese fest im Alltag zu verankern. Wichtig sind konkrete Auslöser, eine Perspektive in der Gegenwartsform und das unmittelbare Feiern jedes Gelingens. Dann klappt es auch mit dem Marathon. Oder dem abnehmen.

Quellen

  • Clear, James. Die 1%-Methode – Minimale Veränderung, maximale Wirkung: Mit kleinen Gewohnheiten jedes Ziel erreichen. Goldmann 2020.
  • Fogg, Dr. B.J. Die Tiny Habits®-Methode: Kleine Schritte, große Wirkung. Btb 2021.
  • Lindemann, Holger; Claude-Hélène Mayer; Ilse Osterfeld. Systemisch-lösungsorientierte Mediation und Konfliktklärung. Ein Lehr-, Lern- und Arbeitsbuch für Ausbildung und Praxis. Vandenhoeck & Ruprecht 2018.

Anmerkungen

[1] VisionMagazin: „Zielerreichung durch Vorstellungskraft – Vera Birkenbihl zeigt 3 Schritte zum Erfolg.“ Abgerufen am 27.01.2025: https://visionmagazin.de/psychologie/zielerreichung-vorstellungskraft/

[2] Vera F. Birkenbihl auf YouTube. „Ziele setzen“. Abgerufen am 27.01.2025: https://youtu.be/TpOGq62gwNk?si=sOqQg6-MxoyywTio

[3] Schriftliche Ziele, Commitment und Reports helfen bei der Zielerreichung – Ergebnisse einer Studie von Prof. Dr. Gail Matthews. Abgerufen am 27.01.2025: https://www.ziele-sicher-erreichen.de/blog/schriftliche-ziele-commitment-und-reports-helfen-bei-der-zielerreichung-ergebnisse-einer-studie-von-prof-dr-gail-matthews/

[4] Vgl. Lindemann, Meyer, Osterfeld 2018:135f.

[5] Vgl. Lindemann, Meyer, Osterfeld 2018:137.

[6] Clear 2020:91f.