Mit Rollen-Profilen Verantwortung schaffen und Zusammenarbeit fördern
Wenn wir Rollen einführen, dann tun wir das, um Verantwortung zu präzisieren. Denn Rollen-Profile sind nichts anderes, als Verantwortungs-Container. Und daher ein sehr mächtiges Werkzeug. Denn in der Zuschreibung von Verantwortung liegt die Gefahr, Kollaboration und Ko-Kreativität im Keim zu ersticken. Um dem entgegenzuwirken haben wir ein Miro-Board entwickelt, um in drei Schritten zu funktionierenden Rollen im Team zu kommen. Und dabei die Zusammenarbeit auch noch zu fördern.
Wenn wir nicht für uns allein, sondern mit mehreren Menschen gemeinsam arbeiten stellt sich schnell die Frage, wer wofür verantwortlich ist. Es scheint dann logisch zu sein, Arbeitsbereiche voneinander zu unterscheiden und jedem seinen Aufgabenkreis, also seine eigene, kleine „Abteilung“ zuzuordnen. Der Eine übernimmt das Design, eine andere kümmert sich um die technische Umsetzung und irgendwer findet sich für Fragen der Organisation.
Doch dann geht der Designer in den Urlaub, der technischen Umsetzerin fehlt folglich die Zuarbeit und der Organisator kümmert sich entsprechend lieber um einen neuen Kunden. Das so schön gestartete Projekt stockt und kommt einfach nicht voran. Ein typisches Phänomen, wenn man Spezialisten in einer Gruppe zusammenschließt.
Was wir also wollen sind Spezialisten, die „über den Tellerrand gucken“. Die sich für die Arbeit ihrer Kolleg:innen interessieren und ihnen gerne helfen, wenn es einfach mal zuviel wird oder sie gerade zu wenig Zeit haben. Reine Generalisten suchen wir tatsächlich nicht, da wir in unseren Teams tiefgreifende Expertise für unsere ganz besonderen Produkte und Dienstleistungen brauchen. In agilen Umfeldern sprechen wir deshalb auch ganz selbstverständlich von „T-shaped People“, also die konsequente Kombination aus Generalist (horizontaler) und Spezialist (vertikaler Balken).
Das Entscheidende: Die Verantwortung wird in solchen Teams geteilt oder eben gemeinsam übernommen und getragen. Denn es gilt, den höchsten Sinn und Zweck des Teams zu erfüllen, also gemeinschaftlich an einem Ziel zu arbeiten. Damit Verantwortung auf Augenhöhe geteilt werden kann müssen wir Hierarchien, und das Arbeiten in Untergruppen unterbinden. Denn diese Instrumente schneiden Verantwortung in Stücke, die oft nachher nicht mehr zusammenpassen wollen oder im Falle von Abwesenheiten nicht mehr wahrgenommen werden.
1. Schritt: Im Team den eigenen Purpose und die benötigten Skills festlegen
Schließen wir uns als Team zusammen, ist es notwendig:
- den Sinn und Zweck, also unseren „Purpose“ zu erfassen
- und dann gemeinsam zu überlegen, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten es dafür braucht.
Im Internet finden sich verschiedene Templates. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit dem Team Canvas gemacht.
Anschließend unterhält sich ein Team (bewusst oder unbewusst) über Rollen: »Du kümmerst Dich um das, du übernimmst das…« In der Praxis gestaltet sich ein reifer Umgang damit oft als trickreich und verwirrend. Ein Gedanke vorweg: Eigentlich wollen wir gar nicht verschiedene Rollen ausdifferenzieren. Verantwortung soll nicht persönlich, sondern gemeinschaftlich im Team getragen werden. Wenn wir alle an einem gemeinsamen Ergebnis arbeiten, sind wir alle in der gleichen Rolle unterwegs. Wir sind Schaffende, die Umsetzer, Realisierende oder wie es etwas missverständlich im aktuellen Scrum Guide heißt: wir sind alle Developer:innen – was auch immer wir produzieren.
2. Schritt: Persönlichkeiten und ihre Skills im Team darstellen
Nachdem wir alle benötigten Skills – oder Fähigkeiten und Fertigkeiten – als neu geschaffenes Team zusammengetragen haben, schauen wir in einem zweiten Schritt, ob wir diese mit den anwesenden Personen bereits abdecken. Dazu bietet es sich an, persönliche Profile anzulegen. Aus dem Management 3.0 kennen wir die Personal Maps oder Personal Collab Cards. Davon inspiriert haben wir in einem Miro-Board ein Canvas für ein persönliches Profil entwickelt, das natürlich nach Belieben gerne ergänzt oder angepasst werden darf. Die Skills haben wir davon allerdings herausgelöst und etwas nüchtern in Tabellen organisiert. Manchmal macht es Sinn, die Skills weiter zu differenzieren, z.B. in Fähigkeiten, Methoden & Tools sowie soziale & kommunikative Skills.
Entscheidend ist aber vielmehr, wie ausgeprägt die Fähigkeiten sind. Von einer Skalen-Bewertung ähnlich wie Schulnoten raten wir an der Stelle ausdrücklich ab. Es geht nicht um einen Vergleich, wer besser oder schlechter ist. Viel wichtiger ist in der Teamarbeit die Frage, wie wir gut zusammenarbeiten können. Daher finden sich pro Skill in unserem Teamplate folgende Qualifizierungen:
- Habe Interesse
- Kann unterstützen
- Arbeite selbständig
- Kann andere anleiten
Um komplizierte Aufgaben zu meistern, brauchen wir Spezialisten in unserem Team. Wenn alle Profile ausgefüllt wurden, sollten sich die im Team Canvas also alle angeforderten Fähigkeiten in den persönlichen Profilen wiederfinden, und zwar als „arbeite selbständig“ oder „kann andere anleiten“. Wie generalistisch unser Team angelegt ist, sehen wir darin, wie oft „habe Interesse“ oder „kann unterstützen“ angekreuzt wurde. Es ist also nicht schlimm „nur“ Interesse an etwas zu haben oder „nur“ unterstützen zu können. Ganz im Gegenteil: Je häufiger sich hier Einträge befinden, um so mehr können wir einander helfen, z.B. bei Abwesenheiten oder wenn es beim Spezialisten zeitlich eng wird. „Interessierte“ profierten wiederum von den „Anleitern“, wodurch das Team in seinen Fähigkeiten breiter aufgestellt wird.
3. Schritt: Verantwortungen der Rolle klären und sie ineinander verzahnen
Und doch macht es Sinn, inhaltliche Schwerpunkte und damit auch Verantwortungen zu erfassen, um Arbeitsabläufe klarer zu machen und Raum für die Tiefenausprägung in einzelnen Fähigkeiten zu schaffen. Jetzt kommen die Rollen ins Spiel, denn eine Rolle macht nichts anderes, als Verantwortung zuzuschreiben. Es ist also ein sehr mächtiges Werkzeug, das man mit Bedacht anwenden sollte. Auf der einen Seite erzeugt es radikalen Fokus. So wie im Scrum Framework die Rolle der Product Owner:in geschaffen wurde, um die permanente Maximierung des Produkt-Wertes sicherzustellen. Auf der anderen Seite erzeugt es einen Bruch und eine harte Abgrenzung zu Trägern von anderen Rollen. Bei der Product Owner:in ist das genau so gewollt. Hier wird Fokus auf die Identifikation des Kundennutzens erzeugt. Völlig unabhängig davon, was die Developer:innen gerade in der Lage sind umsetzen zu können. Und das ist gut so! Nicht die aktuell verfügbaren Skills bestimmen, was getan wird. Sondern es zählt einzig und alleine, was sinnvoll im Sinne der Nutzer:innen ist.
In unserem Miro-Board haben wir ebenfalls ein Template für ein Rollen-Profil hinterlegt. Wie beim persönlichen Profil unterscheiden wir hier auch separat die Skills voneinander. Es macht unserer Ansicht nach Sinn, im Team die Skills zu ermitteln, die eine Rolle zur Erfüllung ihrer Verantwortung braucht. Denn erst wenn auf der einen Seite die Rolle mit ihren Verantwortungen und Skills beschrieben wurde und auf der anderen Seite Klarheit über das eigene persönliche Profil mit den bereits ausgeprägten und auch noch zu entwickelnden Skills vorliegen, können wir präziser über die Rollenpassung sprechen – also wie gut eine Mitarbeiter:in eine Rolle im Team ausfüllen kann. Manchmal ist schon alles da und es braucht nur noch etwas Mut, die neue Rolle auszuprobieren. Manchmal fehlen aber auch noch wichtige Skills, die wir selbst noch nicht sehen. Hier kann uns Feedback helfen, blinde Flecke zu entdecken und uns weiterzuentwickeln.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass ein Rollenprofil natürlich dazu dient, radikalen Fokus herzustellen. Rollen können dadurch Brüche im Team provozieren. So sinnvoll klare Rollenverantwortlichkeiten sein können, so macht es im Alltag doch immer Sinn auch die Grauzonen auszuloten. Deswegen haben wir in unserem Template auch hier die Skills der Rolle qualifiziert in:
- Kann unterstützen
- Arbeite selbständig
- Kann andere anleiten
Zum einen macht diese Differenzierung klar, dass Menschen sich auch in einzeln besetzte Rollen einarbeiten müssen und es dafür also erfahrene Mitarbeitende braucht, die bereit sind, ihr Wissen und ihre Erfahrungen weiterzugeben. Auf der anderen Seite wird so aber auch das Mindset gestärkt, dass es in einem Team immer darum geht zusammen zu arbeiten, sich zu unterstützten und gemeinsam dort anzupacken, wo es notwendig ist.
Quellen
- Miro Miroverse: Template “Teams, Roles and Profiles” von Thomas Suppes, impactive.works.
- Ivanov, Alex and Mitya Voloshchuk: The Team Canvas. 2015.
www.theteamcanvas.com - Management 3.0 founded by Jurgen Appelo.
management30.com/practice/ - Schwaber, Ken and Jeff Sutherland: The 2020 Scrum Guide.
scrumguides.org/scrum-guide.html