Agile Team Assessment: Startpunkt für ein tieferes Miteinander

Großartige Teams bestehen aus Individuen, die sich hinter einem gemeinsamen Sinn und Zweck versammeln. Doch in jedem Team ist manchmal der Wurm drin und dann ist es oft nicht einfach, die dahinter liegenden Themen zu benennen. Ein Agile Assessment kann Teams helfen, einen Startpunkt zur Besserung zu finden.

Konkret bekamen wir eine Anfrage aus einem Team, das wir lange mit aufgebaut und begleitet hatten, bis es sich selbständig einen Scrum Master suchte und wir uns – wie verabredet – zurückzogen. In ersten Vorgesprächen konnten wir schnell über ein halbes Dutzend verschiedene Themen identifizieren, die sich teilweise stark überschnitten und gegenseitig beeinflussten.

Daher entschieden wir uns dafür, den Raum zu eröffnen und mit einer Standortbestimmung des ganzen Teams zu beginnen. Ziel war es dabei ins Gespräch zu kommen und allen die Möglichkeit zu geben, Sichtweisen und Perspektiven zu teilen und den anderen zuzuhören. Ganz bewusst wollten wir nicht sofort Lösungsvorschläge entwickeln, sondern eine Gelegenheit schaffen, ein gemeinsam geteiltes Bild des Status Quo zu erzeugen.

Das Ergebnis, das wir hier vorstellen wollen, ist ein ca. 2-stündiges Workshop-Format, das sich grob am Ablauf einer Retrospektive orientiert und das wir frei verfügbares Template bei Miro hinterlegt haben. Nach einem kurzen Check-in ging es also darum Perspektiven, Sichten und Informationen zu sammeln.

Screenshot Miro-Teamplate: "Agile Team Assessment"
20230517_Agile-Team-Assessment
Screenshot Miro-Teamplate: "Agile Team Assessment"

Gather Data – Perspektiven schaffen

Im Kern unseres Agile Assessment stehen insgesamt 21 positiv formulierte Aussagen, die wir folgenden vier Gruppen zugeordnet haben:

  • Ziele und Entscheidungen
  • Agile Zusammenarbeit
  • Klima
  • Konflikte und Kritik

Ganz wichtig ist hierbei, dass es kein richtig oder falsch gibt und dass es nicht darum geht, eine für alle gültige Sicht herzustellen. Im Gegenteil: Wir wollen die Pluralität der Erfahrungen sichtbar und besprechbar machen. Dazu haben wir das Team in Zweier- bzw. eine Dreiergruppe aufgeteilt. In insgesamt 30 Minuten sind sie die Fragen durchgegangen und haben auf Schiebereglern festgelegt, ob die Aussagen eher weniger oder eher stärker zutreffen. Beim Schieberegler geht es um Verhältnisse. Auf konkrete Zahlenschritte haben wir verzichtet, denn wir möchten den verbalen Austausch fördern und wollten ganz bewusst vermeiden, dass am Ende Zahlen zu einem Gesamtergebnis addiert und verglichen werden können.

Den Kleingruppen haben wir als Input vor der Übung mitgegeben, dass sie in ihren Diskussionen darauf achten sollen, möglichst konkrete Beobachtungen zu benennen, warum sie für eine geringe oder stärkere Ausprägung argumentieren. Sollte jemand zu allgemeinen Aussagen tendieren, wie z.B. „wir machen das immer so…“ oder „wir sind…“ dann darf der Zuhörende gerne nach konkreten Beispielen fragen. Allzu schnell kommt es zu allgemeinen Urteilen. Wichtig ist aber, eine Fülle von Einzelbeobachtungen zu sammeln.

Screenshot Miro-Teamplate: Fragen zur agilen Zusammenarbeit
20230517_Agile-Team-Assessment_Fragen_Ziele-Entscheidungen
Fünf Fragen zu Zielen und Entscheidungen

Generate Insights – Beobachtungen zusammentragen

Das Agile Team Assessment kann auch gut remote durchgeführt werden. Dafür haben wir die Fragebögen auf einem virtuellen White Board entsprechend der Gruppenanzahl multipliziert. Wichtig ist, dass nach der ersten Übung die Ergebnisse für das ganze Team sichtbar sind. Denn im nächsten Schritt wollen wir, dass jeder für sich einige Minuten auf die Ergebnisse schauen und Beobachtungen sammeln kann. Fördernde Fragen könnten z.B. sein:

  • Was fällt Euch auf, wenn Ihr auf alle Fragebögen schaut?
  • Gibt es Gemeinsamkeiten? Oder Unterschiede?
  • Was löst das in Euch aus, wie fühlt es sich an?
  • Stellen sich Euch konkrete Fragen?

Beobachtungen sollten auf Zettel bzw. ein Sticky Notes gesammelt werden. Anschließend stellt sich das Team gegenseitig die Beobachtungen vor und klärt Verständnisfragen auf. Erneut geht es nicht darum, eine »korrekte« Bewertung zu schaffen, sondern unterschiedliche wie gemeinsame Perspektiven wahrzunehmen und zu respektieren.

Je nach Vorerfahrung und Kenntnisstand kann man das Team vor der Übung an die drei Schritte des Aktiven Zuhörens erinnern (vgl. 4).

  1. Wertschätzendes Interesse (Ich bin ganz Ohr)
    »Erzähl doch mal, was hast Du beobachtet.«
    »Ich würde gerne wissen, wie das war…«
    »Mich würde interessieren…«
  2. Inhaltliches Verständnis (Kernaussagen auf den Punkt bringen)
    »Ich würde gern kurz zusammenfassen, was ich verstanden habe…«
    »Wenn ich Dich richtig verstehe…«
  3. Emotionales Verständnis (Dem anderen aus dem Herzen sprechen)
    »Das war bestimmt sehr unangenehm…«
    »Da warst Du sicherlich ärgerlich…«
    »Wenn ich mich in Dich hineinversetze…«

Gerade, wenn es um persönliche Konflikte geht, ist eine ausgleichende und einfühlsame Moderation wichtig, die nicht Partei bezieht, sondern gut darauf achtet, dass jede:r gehört wird, dass alle nachvollziehen können, was geschehen ist und wie sich das angefühlt hat. Es geht hier nicht um das vorschnelle Lösen von Konflikten, es braucht keine Vermittlung, keinen Konsens und keine ausgesprochenen Ideen für die Zukunft. Nur der Mensch steht hier im Mittelpunkt mit seinen Erlebnissen, Gefühlen und Bedürfnissen.

Screenshot Miro-Teamplate: Fragen zur agilen Zusammenarbeit
20230517_Agile-Team-Assessment_Fragen_Agile-Zusammenarbeit
Sechs Fragen zur agilen Zusammenarbeit

Decide what to do – die gemeinsame Bearbeitung planen

Im letzten Schritt unseres Agile Team Assessment geht es darum, die Bearbeitung zu planen. Auch wenn es verführerisch scheint, macht es hier und heute wenig Sinn, zu tief in den Lösungsraum einzutauchen.

Wir haben in der großen Gruppe zunächst gemeinsam Themen gesammelt. Anschließend wurde das Ziel für die nächsten Schritte so präzise wie möglich herausgearbeitet, die Teilnehmenden identifiziert und festgelegt, wer diesen nächsten Termin vorbereiten wird. Vielleicht hilft bei mehreren Themen ein Dot Voting, um zu sehen, womit zuerst begonnen werden sollte. Es geht hier um die konkreten, jetzt sinnvoll erscheinenden Schritte. Denn wir wollen sicherstellen, dass zeitnah eine Bearbeitung der Themen beginnt und es nicht »nur« bei der Diskussion bleibt.

Für den Check out haben wir das Fünf-Finger-Feedback gewählt. Um die eigene Retrospektive und das eigene Verhalten in der Gruppe zu reflektieren wählt jede:r einen oder zwei Finger:

  • Daumen: Lob – »Besonders toll fand ich heute…«
  • Zeigefinger: Hinweis – »Mir ist aufgefallen, dass…«
  • Mittelfinger: Tadel – »Überhaupt nicht gefallen hat mir…«
  • Ringfinger: Verbindung – »Für meinen Alltag nehme ich mit…«
  • Kleiner Finger: Mangel – »Zu kurz gekommen ist mir heute…«
Screenshot Miro-Teamplate: Fragen zur agilen Zusammenarbeit
20230517_Agile-Team-Assessment_Fragen_Klima
Fünf Fragen zum Klima im Team

Die richtigen Fragen

Bei der Auswahl der Aussagen haben wir uns auf Basis erster Vorgespräche von unserer Intuition leiten lassen. Geholfen hat uns dieser Fragebogen zur Teamentwicklung. Einige Fragen haben wir selbst formuliert.

In manchen Fällen macht der kurze Fragebogen zur psychologischen Sicherheit von Amy C. Admondson aus ihrem Buch zur angstfreien Organisation Sinn. Noch mehr Anregungen findet ihr in den beiden Toolboxen, die Katharina Maehrlein in ihrem Buch »Wie Agilität gelingt« zusammengestellt hat.

Am Ende würden wir Euch aber immer dazu raten, alle Fragen und Aussagen daraufhin zu überprüfen, ob sie in Eurer jeweiligen Situation sinnvoll und passend erscheinen. Hier gibt es keine perfekte Liste, die jedes Mal richtig ist. Am Ende kommt es darauf an, einen guten Startpunkt für einen ehrlichen Austausch auf Augenhöhe zu finden.

Screenshot Miro-Teamplate: Fragen zur agilen Zusammenarbeit
20230517_Agile-Team-Assessment_Fragen_Konflikte-Kritik
Fünf Fragen zu Konflikten und zum Umgang im Team

Quellen

  1. Miro Miroverse: Template “Agile Team Assessmet” von Thomas Suppes, impactive.works.
  2. Edmondson, Amy C.: Die angstfreie Organisation. Wie sie psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz für mehr Entwicklung, Lernen und Innovation schaffen. Vahlen 2019.
  3. Maehrlien, Katharina: Wie Agilität gelingt. Ein agiles Mindset entwickeln – typische Hürden meistern. Gabel 2020.
  4. Schulz von Thun, Friedemann; Johannes Ruppel; Roswitha Stratmann. Miteinander Reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte. Rowohlt 2000, 23. Auflage 2022. Zum Aktiven Zuhören vgl. dort S. 70-81.