Strategie impliziert Bewegungen

Von Strategie zu konkreten Handlungen – so zeichnet sich gute Strategiearbeit aus. Nur wie werden wertvolle Handlungen aus der strategischen Ausrichtung systematisch abgeleitet? Eine Antwort ist: durch Wertschöpfungsketten.

In meinem Beitrag über die Strategieebenen habe ich mich für eine vielschichtige, differenzierte Betrachtungsweise von Strategie ausgesprochen. Ein Unternehmen braucht sowohl eine klare strategische Ausrichtung (oder »Positionierung«) als auch klare, konkrete Handlungen, die sich aus der Strategie ableiten.

Das Problem bei dem Wunsch nach Handlungen ist, dass diese wenig greifbar erscheinen. Irgendwie sollen sie aus der Ausrichtung abgeleitet werden oder zumindest mit dieser im Einklang stehen. Aber woher kommen sie genau? Einfach nur ein Brainstorming der schlauen Köpf im Unternehmen machen? Schauen, was der Wettbewerb so macht oder was die eigenen Kunden wollen?

Wann ist es überhaupt eine strategische Handlung? Ist es bereits strategisch, wenn ich einen neuen Verkäufer in meinem Unternehmen einstelle oder erst wenn ich die Organisation des Vertriebs verändere? Ist die Einführung eines neuen Produkts eine strategische Aktion?

Irgendwie erscheint klar, dass strategische Handlungen kontextspezifisch sind. Eine neue Produkteinführung kann durchaus von strategischer Bedeutung sein, wenn es z.B. eine neue Zielgruppe bedient. Genauso kann es aber auch Teil des operativen Geschäfts sein, z.B. wenn lediglich eine neue Iteration einer bestehenden Produktlinie herausgebracht wird.

Arbeiten in oder an der Wertschöpfungskette?

Aus meiner Sicht besteht ein fundamentaler Unterschied darin, ob eine Handlung lediglich innerhalb der bestehenden Wertschöpfungskette erfolgt oder diese verändert – und damit als strategisch bedeutungsvoll anzusehen ist. Ein paar Beispiele, was ich damit meine:

Arbeiten innerhalb der Wertschöpfungskette:

  • In einer Fabrik werden am Fließband Joghurts mit einem Rabatt-Code produziert.
  • Ein Verlag veröffentlicht ein neues Buch.
  • Eine Agentur erstellt eine neue Werbekampagne für einen Kunden.
  • Eine Maklerin verkauft ein Grundstück.
  • Ein Investment Fund erwirbt geringfügige Anteile an einem Unternehmen.

Veränderungen der Wertschöpfungskette:

  • Die Joghurts erhalten ein neues Rezept, das ohne Milcherzeugnisse auskommt.
  • Der Verlag bietet nun auch digitale Inhalte an.
  • Die Agentur entscheidet sich, in Fernsehkampagnen einzusteigen.
  • Die Maklerin vermittelt nun auch gewerblich nutzbare Flächen.
  • Der Investment Fund legt seinen Schwerpunkt auf erneuerbare Energien.

Nur warum ist es hilfreich von Wertschöpfungsketten zu sprechen, anstatt einfach in »operatives Geschäft« und »strategische Entscheidungen« zu unterscheiden? Zum einen ist vielen Organisationen ihre Wertschöpfungskette nicht klar (mit zahlreichen negativen Folgen) und zum anderen fehlt so eine hilfreiche Visualisierungstechnik (basierend auf der Arbeit von Simon Wardley), die die strategischen Entscheidungen und deren Folgen konkret machen.

Strategische Handlungen am Beispiel »Buch zu E-Book«

In dem sehr einfachen Beispiel eines Verlags ist eine klassische (nicht vollständige) Produktionswertschöpfung zu sehen. Ausgehend vom Kundenbedürfnis wird eingezeichnet, welche »Komponenten« benötigt werden, um dieses Bedürfnis zu bedienen bzw. was die Komponenten wiederum brauchen. Bücher brauchen Autoren und eine Produktion, die wiederum eine Druckerei braucht, die wieder Maschinen (Drucker) und Materialien benötigt. Wird ein neues Buch auf dem Markt gebracht, werden genau diese Komponenten gebraucht.

Bietet der Verlag zukünftig zusätzlich digitale Inhalte (z.B. E-Books) an, verändert sich seine Wertschöpfungskette tiefgreifend. Neue Komponenten müssen geschaffen werden (z.B. die Digitale Produktion), bestehende müssen auf die Veränderung hin geprüft werden (können die Online Shops digitale Inhalte vertreiben?) und manche sind für diesen Zweig überflüssig (klassische Produktion).

Sofern die Bewegung (oder auch kurz im Englischen »Move«) von Büchern zu E-Books verfolgt werden soll, ergeben sich eine Reihe von strategischen Fragestellungen und Handlungen:

  • Welche Anpassungen müssen bei den Verträgen mit den Autoren getroffen werden, um deren Inhalte auch digital produzieren und vertreiben zu können?
  • Welche Online Shops können digitale Bücher anbieten? Welche sollten wir noch als Partner akquirieren? Wie funktioniert die Distribution?
  • Wie kommen wir an das Know-How für die digitale Produktion? Sollten wir dies outsourcen?
  • Auf welchen Readern sollten die von uns vertriebenen Bücher zu lesen sein?
  • Welche Konsequenzen hat der neue Geschäftszweig der E-Books auf unsere Produktionskette der Bücher? Wie verändert sich die Kostenstruktur, wenn wir geringere Mengen produzieren?

Selbstverständlich ist es auch möglich, ohne eine solche Visualisierungstechnik auf derartige Fragestellungen zu kommen. Der Charme liegt darin, die gewählte Strategie, die Notwendigkeit von verschiedenen Handlungen und die Abhängigkeiten besser verständlich und diskutierbar zu machen – kurz in »Moves« zu denken. Das verbessert die Gespräche und Klarheit über strategische Handlungen spürbar.

Noch ein kleiner Ausblick: Im zweiten Teil dieser Reihe werde ich darauf eingehen, wie die identifizierten Handlungen in einer Wertschöpfungskette (bzw. einer Wardley Map) in die Umsetzung kommen und dort auch fokussiert bearbeitet werden. Denn was nutzt schon ein schöner, konkreter Plan, wenn sich niemand um dessen Umsetzung kümmert?